Die Entwicklung der einzelnen Gemeinden
Die alte Dorfgemeinde Opfikon
Die Herausbildung bäuerlicher Dorfgemeinden lässt sich bis in das Mittelalter zurückverfolgen. Durch Nachbarschaft und gleiche Arbeit fühlte sich die Bauernsame einer Siedlung schon früh verbunden ; die einstige Dreifelderwirtschaft verlangte eine sorgfältige Regelung des Fruchtanbaus, während die gemeinsame Nutzung von Wald und Weide ebenfalls einer bestimmten Ordnung bedurfte. Dorfmeier oder Geschworne führten die einfache lokale Verwaltung, wobei sie in den nicht seltenen Prozessen mit Nachbarsiedlungen die Gemeinde auch nach aussen vertraten. Aus dem Nutzungsrecht an der Allmend — Weide, Wald, Riet — erwuchs schliesslich das alte Dorfbürgerrecht.
Der Zehnte von Opfikon
In Opfikon wurde schon um 1440 in der Offnung von der «Gebursami» gesprochen, hiess es doch, Junker Rudolf Kilchmatter, «unser vogt», solle diese beschirmen. Die Stelle verrät, dass die Bauern hier bereits selber mitgeredet haben, ja es zeigt sich, dass sie sich im folgenden Jahrhundert mit Dingen befassten, die durchaus nicht selbstverständlich waren — mit der Vogtei und dem Zehnten in ihrer Gemeinde. Die als «Vogtei» bezeichnete grundherrliche Gerichtsbarkeit mit der zugehörigen Steuer von 2 Pfund 2 Schilling ging zu noch nicht genau bekannter Zeit — etwa um 1450 — von den Kilchmatter an Junker Ludwig Hösch über, dessen Vorfahren schon seit langem den Zehnten im Gemeindebann von Opfikon besassen. Da der Zehnt seinem Ursprunge nach eine kirchliche Abgabe ist, hätte er eigentlich dem Inhaber des Kirchensatzes von Kloten, dem Kloster Wettingen, zustehen müssen, aber er ist auch hier — wie das überall vorkam — als Vermögenswert vom Pfarrei-zehnten abgesplittert und in private Hände gelangt. Da vom Gesamtzehnt nach altem Recht ein Viertel dem Bischofe zukam, verpflichtete sich im Jahre 1397 schon Heinrich Hösch als Inhaber des Opfiker Zehnten gegenüber dem Domkapitel Konstanz ausdrücklich für diese «Quart», die der Bischof eine Zeitlang versetzt, nun aber wieder zurückgekauft hatte, eine jährliche Pauschalabgabe von 10 Mütt Kernen zu entrichten, welche als dauernde Servitut auf dem Zehnten von Opfikon verblieb.
Vogt zu Opfikon
Von Heinrich Hösch ging der Zehnt erbweise auf Ludwig I., dann auf Ludwig II. über, der die erwähnte Vogtsteuer aus Kilchmatterschem Erbe hinzufügte und sich deshalb «Vogt zu Opfikon» nannte, auch wenn damit nur die grundherrliche Gerichtsbarkeit verbunden war. Alles zusammen fiel als Erbe auf Ludwig III. Hösch, der um 1519/20 starb, vorher aber noch Zeit fand, Vogtei und Zehnten mitsamt einem Haus in Opfikon an den in Zug sesshaften Zürcher Bürger Sigmund Schwarzmurer zu verkaufen. Dieser setzte den erworbenen Vermögenswert bereits 1519 zum Unterpfand ein, als er ein Darlehen von 200 Pfund Zürcher Währung aufnahm. Da Schwarzmurer schliesslich das Bürgerrecht der Stadt Zug erwarb, verlor er sein Interesse an Vogtei und Zehnten zu Opfiker. Im Dezember 1527 verkaufte er vor dem Kiburger Untervogt Ulrich Bücheler von Kloten seinen grossen und kleinen Zehnten zu Opfikon samt «dem Hus, Garten und dem Gütly, oouch der Herlikeit und aller Zugehörd» - an wen? An die Gemeinde Opfikon, die durch Felix Schwyzer (Schweizer), Rüdi Wiesmann und Heini Bosshart vertreten war! Mit der «Herlikeit» war das niederste grundherrliche Gericht mit den Bussen bis 9 Schilling gemeint. Die Gemeinde Opfikon, die für alles zusammen 1400 Gulden (=2800 Pfund) bezahlte, nahm einige Tage vor dem Kaufe bei Hans Rathgeb in Dietlikon 600 Pfund auf und setzte als Unterpfand die erworbenen Rechte und Einkünfte sowie die Opfiker Allmend ein. Dafür hatte die Dorfgemeinde nun das Recht, die Vogtsteuer und den Zehnten zuhanden ihres Gutes einzuziehen und erst noch die «kleinen Gerichte» bis zum Strafgeld von 9 Schilling selbst auszuüben. Sie hatte sich also ein kleines Stück Autonomie erobert!
Tagnauern
In der Folge erwies sich denn auch die Dorfgemeinde Opfikon als recht lebens- und handlungsfähig. Es gab früher in den Dörfern oft Streit zwischen den Vollbauern und den Taunern oder «Tagnauern», die nur ein kleines Gütchen bewarben und nebenbei als Tagelöhner bei den Grossbauern arbeiteten, wobei es sich um den Anteil an den Gemeindegütern drehte. Ein solcher Zwist musste 1549 in Opfikon durch Bürgermeister und Rat von Zürich entschieden werden. Die Besitzer der grossen Lehenhöfe hatten sich über die Mitbenutzung der Hölzer und Weiden durch die Tagnauer beklagt, glaubten sie doch, Wald und Weideland gehörten von altersher zu den besagten Höfen. Nach einem Augenschein fällten die Ratsverordneten Jörg Müller und Bernhard von Cham einen Schiedsspruch, gemäss welchem die Gemeinde zwei Vertreter der Hofbesitzer und einen der Tagnauer wählen sollte, die - wie es die Offnung verlangte - Holz und Feld zu schirmen hätten. Gleichzeitig wurde die Holzabgabe geregelt und für fremde Zuzüger ein erstes Einzugsgeld festgesetzt. Diese Taxe für die Erwerbung des Dorfbürgerrechtes betrug 5 Pfund für Zürcher Untertanen und 10 Pfund für Fremde - wir würden heute sagen: für «Ausserkantonale». Die Gemeinde sollte das solcherweise gewonnene Geld zu ihrem Nutzen anlegen.
Holznutzungsbrief
Das bescheidene Einzugsgeld, welches die Obrigkeit im Holznutzungsbrief von 1549 bewilligt hatte, genügte der Gemeinde schon bald nicht mehr. Ihre Anwälte traten 1566 vor die Gnädigen Herren und baten um eine Erhöhung, die ihnen auch bewilligt wurde. Fortan bezahlte ein Zürcher Untertane 8 Pfund, ein Zuwanderer aus der übrigen Eidgenossenschaft 12 Pfund und ein Landes-fremder 20 Pfund. Die Gemeinde sollte die Aufnahme ins Bürgerrecht nur gewähren, wenn der Zuzüger Abschied und Mannrechtsbrief aus seiner alten Heimat vorwies, aus welchem unter anderem hervorging, dass er nicht leibeigen war und somit keinen «nachjagenden Herrn» besass.
350 Jucharten Tannen- und Laubholz
Fast hundert Jahre lang begnügte sich die Gemeinde Opfikon mit diesen Einbürgerungstaxen, obwohl sie Grund hatte, ihren Gütern Sorge zu tragen. Sie hatte im Jahre 1603 ihren Gemeindewald vergrössern können, dadurch, dass ihr Isaak Wiss zu Kloten 7 Jucharten Holz im Seewadel an der Grenze zwischen beiden Gemeinden verkauft hatte. Der Kauf, bei dem als Vertreter der Gemeinde Opfikon Felix Hintermeister und Wernli Schweizer auftraten, geschah um den Preis von 680 Pfund. Als nun 1663 wiederum das Gesuch um eine Erhöhung des Einzuges gestellt wurde, liess die Zürcher Obrigkeit vorerst ein Verzeichnis über das «Gemeinwerch» aufnehmen, aus dem sich folgendes Bild über die Allmenden ergab: Opfikon besass 350 Jucharten Tannen- und Laubholz, die zugleich dem Vieh zum Weidgang dienten. Jeder Bauer, der mit einem ganzen Zug (vier Stück Grossvieh) ins Feld fuhr, erhielt jährlich 24 Fuder Brennholz, ein Tagnauer immerhin zwei Drittel dieser Menge. Ausserdem durfte jeder Bauer 6 bis 7 Haupt Vieh auf die sommerliche Weide treiben. Es war auch genügend Bauholz vorhanden, denn man stellte eine «namhafte Quantität schöner Eichbäume» fest, die auch vorteilhaft für die «Schwynackerets» - die Schweinemast -waren. Ein solch stattlicher Eichenbestand war «in unserer Herren und Obern Landschaft nicht an vielen Orten zu finden.» So las man es in den Angaben, welche Landschreiber Leu in Pfäffikon nach Aussage von Grafschaftsrichter und Müller Hans Hug, Kapellenpfleger und Seckelmeister Beat Wiesmann und Kilian Wintsch zu Papier brachte. Darum konnte die Obrigkeit nicht um hin, der Gemeinde Opfikon abermals ein erhöhtes Einzugsgeld zu bewilligen. Es betrug jetzt 30 Gulden (60 Pfund) für Zürichbieter, 60 Gulden für Leute aus den übrigen eidgenössischen Orten, die den gleichen Betrag aber auch noch als Schirmgeld an die Landvogtei Kyburg zu leisten hatten, während mit Zuzügern ausländischer Herkunft die Gebühr von Fall zu Fall abgemacht werden konnte.
Mit Fremden «übersetzt»
Im April 1741 leitete Landvogt Hans Jakob Leu zu Kiburg ein neues Gesuch der Gemeindegenossen von Opfikon um die Stärkung des Einzuges an die Zürcher Obrigkeit weiter. Auch er wies, obschon seit dem letzten Male 80 Jahre ins Land gegangen waren, auf die vielen schönen Eichen hin, welche die Allmend von Opfikon zierten, und offenbar hat dies Eindruck gemacht. Da die Gemeinde je länger je mehr mit Fremden «übersetzt» wurde, gewährte ihr die Regierung einen Einzug von 50 Gulden (100 Pfund) für Bewerber aus andern Zürcher Gemeinden und von 100 Gulden für übrige Eidgenossen. Da letztere noch das gleich hohe Schirmgeld an das Landvogteiamt zu entrichten hatten, war für eine gewisse Abwehr weiterer Teilhaber am Gemeindegut gesorgt. Wie anderwärts durfte man Landesfremde nur noch mit Wissen und Willen der Obrigkeit aufnehmen; lag die hohe Zustimmung vor, dann durfte die Gemeinde mit dem Neuling je nach den Umständen ein Einzugsgeld vereinbaren.
Ein neues Haus auf eine Hofstatt bauen
Auch im 17. Jahrhundert herrschte unter den Gemeindebürgern nicht immer selige Eintracht. So musste an einem Rechtstag im Dezember 1670 Landvogt Heinrich Escher verschiedene Streitpunkte aus der Welt schaffen. Dem hierüber aufgesetzten Brief entnimmt man nebst anderm: Es darf nicht jeder für sich selbst Eicheln schütteln, auflesen und verteilen; vielmehr hat dies durch verordnete Leute jeweils an einem bestimmten Orte zu geschehen. - Wer die Abhaltung einer Gemeindeversammlung wünscht, soll sich beim Seckelmeister oder Dorfmeier melden. Weigern sich diese, eine Gemeinde einzuberufen, so soll man sich an den Landvogt zu Kiburg wenden. Will einer ein neues Haus auf eine Hofstatt bauen, so hat er dies der Gemeinde und dem Landvogt zu melden. Wird ihm das Vorhaben bewilligt, so soll ihm die Gemeinde Holz gegen Bezahlung geben. Der Preis für einen «Stumpen» grösseres Zimmerholz wurde auf einen halben Gulden festgesetzt; mittlere Stücke kosteten 15 Schilling, kleinere oder Rafenstücke 10 Schilling. - Für die Reparatur alter Häuser und Scheunen wird das Holz gratis abgegeben, doch soll man alle Leute gleich behandeln. Zu den «Ehfaden», also jenen Einzäunungen, die gemäss der Offnung von Rechtes wegen bestehen mussten, hatte die Gemeinde das Holz zu liefern, nicht aber für private Einschläge. Latten darf man nicht aus jungem Holz machen, sondern nur aus grossen Stücken – sogenannten «Sagblöchern» –, damit der junge Aufwuchs geschont wird. Zum Abschluss wurde ein Verzeichnis derjenigen Dorfgenossen aufgestellt, die noch Bauholz zu bezahlen hatten; die Gesamtsumme machte 300 Pfund aus, wovon Grafschaftsrichter Hans Heinrich Hug in der Mühle allein 130 Pfund schuldete.
Holzhäue
Im Jahre 1676 gerieten die Vollbauern und die Tagnauer erneut wegen der Holzhäue in Streit. Auf der einen Seite standen Heinrich Dübendorfer, Konrad Schweizer und Rudi Hintermeister als Vertreter der Tauner, auf der andern die sechs «Pauren» Grafschaftsrichter Hug, Dorfmeier Heinrich Wismann, Ehegaumer Kilian Wintsch, Hans Schweizer, Jakob Hintermeister und Jakob Schweizer. Das Urteil lautete, es solle bei den alten Briefen bleiben: Wer mit einem ganzen Zug ins Feld fahre, bekomme zwei Häue Brenn- und Steckenholz, wer einen halben Zug (zwei Stück Vieh) führe, anderthalb Häue, während den Taunern je ein Hau zustehe.
Dreifelderwirtschaft
Bis zum Ende der alten Ordnung wurde in Opfikon wie überall das Ackerland nach den Regeln der Dreifelderwirtschaft bebaut, wobei ein straffer Wechsel zwischen Winterfrucht (Korn, Fäsen), Sommerfrucht (besonders Haber) und Brache eingehalten wurde. Obwohl keine Zehnten- und damit Zelgenpläne auf uns gekommen sind, lässt sich die Lage der drei Zeigen des Dorfes Opfikon ziemlich genau an Hand von Güterbeschreibungen erkennen. Eine Zelg lag im Norden des Dorfes, «gegen Kloten»; sie wurde begrenzt durch die Waldungen und die Landstrasse Glattbrugg-Kloten, scheint aber beim Baltsberg etwas über diese hinausgegriffen zu haben. Westlich von ihr lagen die «Platten» und das Ried. Die zweite Zeig stiess südlich an das Dorf; sie hiess «gegen Serlenfeld», umfasste die Halden, die Zinzenäcker, den Seewadel und erstreckte sich wohl bis zur Breite. Die dritte Zeig nahm den Süden des Dorfbanns ein und hiess daher «gegen Wallisellen»; in ihr lagen Bodenacker, Gräfler, Zitier, Schlafbühl und andere Fluren.
Oberhausen erhält ein Dorfrecht
Während Opfikon eine lebensfähige Dorfgemeinde mit schöner Allmend, eigenem kleinem Gericht und Zehnteneinkünften bildete, deren Verwaltung durch Dorfmeier und Seckelmeister besorgt wurde, fehlten all diese Vorteile den Leuten in Oberhausen auf dem alten Grossmünsterbesitz. Der Ort galt nicht als Dorf, sondern nur als Hof. Aber in diesem Gehöft vermehrten sich die Menschen in unliebsamer Weise! Im Jahre 1762 schrieb der Pfarrer von Kloten in sein Bevölkerungsverzeichnis, nachdem er die Bewohner von Oberhausen aufgezählt hatte: «Noch vil andere in der Welt zerstreüte Leüth beschreiben sich von Oberhausen; dann da komt bald jeder zu wohnen, wer platz findet und sonst keine Heimat hat. Etwas zeits hernach gerstrüet die armuth und der schwere hauszins die haushaltungen wider.»
Das waren keine erfreulichen Zustände. Schliesslich mussten sich der Obervogt von Schwamendingen, dem Oberhausen unterstand, und Pfarrer Ulrich Brennwald (1756-1794) in Kloten der Sache annehmen. Sie wiesen darauf hin, dass Oberhausen und Glattbrugg nicht nur eines eigenen Gemeindegutes entbehrten, sondern auch von jedem Anteil am Kirchengut Kloten ausgeschlossen seien. Seit Jahren liessen sich dort inländische Haushaltungen wegen des aus dem kaufmännischen Gewerbe der Stadt Zürich fliessenden, beträchtlichen Verdienstes nieder. Dadurch stiegen die Hauszinse, während der Wert der Grundstücke sich verminderte. Es bestand die Gefahr, dass die alten Einwohner wegzogen und die Zahl der unermöglichen Fremden anwuchs.
Aus diesen Gründen baten Oberhausen und Glattbrugg dringend und «demütigst» um einen Einzugsbrief, um mit den Bürgerrechtstaxen ein Gemeindegut äufnen zu können. Die Obrigkeit willigte ein, und so entstand – was sonst im alten Zürcher Staat kaum je vorkam – noch spät im 18. Jahrhundert eine neue Dorfgemeinde! Der Einzugsbrief vom 5. September 1782 bestimmte: Ein Zürcher, der sich Oberhausen niederlässt und durch Kauf, Tausch der Erbe eine «Heimat» an sich gebracht hat, soll 50 Pfund in das Gemeindegut zahlen, ein Fremder 200 Pfund. Jeder Einzüger soll ausserdem einen neuen Feuerkübel oder an dessen Statt eine zu Löschzwecken verfertigte Tanse stiften, was zu jener Zeit allgemein üblich war. Ein Nichtzürcher .hatte sich überdies um das Landrecht zu bewerben .und dem Obervogt von Schwamendingen-Dübendorf 100 Pfund Schirmgeld zu entrichten. Die Gemeinde jedoch durfte nichts weiter fordern; es war ihr verboten, dem Neubürger einen Gemeinderunk abzuverlangen, und dieser durfte nicht einmal einen solchen offerieren – bei 100 Pfund Busse für beide Teile! Jeder alteingesessene Gemeindegenosse besass während 6 Wochen und 3 Tagen das Zugrecht auf die vom Zuwanderer gekauften Güter; dieser hatte zudem einen Heimatschein über ehrliches Herkommen, untadeliges Betragen sowie Freiheit von der Leibeigenschaft vorzuzeigen. Als Sicherheit und Bürgschaft musste der Petent beweisen, dass er 400 Gulden eigenes Vermögen besitze und beim Kauf eines Heimwesens eine Anzahlung in dieser Höhe leisten könne. Ausser einigen weiteren Bestimmungen über Güterbesitz und Bürgerrecht enthielt der Brief noch eine solche über die Niedergelassenen; diese mussten ein Hintersässgeld von 5 Pfund entrichten.
Dass auch Oberhausen seinen Grossmünsterboden schon vor der Gemeindewerdung nach den Grundsätzen der Dreifelderwirtschaft bebaute, unterliegt keinem Zweifel; doch sind die Zelgen weniger leicht feststellbar als in Opfikon. Immerhin lässt sich an den Wegführungen von 1850 noch erkennen, dass sie sich vom Hofe fächerförmig nach Westen und Norden zogen (Halden, Erlen, Letten), wo sie durch die Landstrasse begrenzt waren. Im Süden der Gemarkung aber lagen das grosse Ried und die Glattwiesen.
Wechselnde Verfassungen
Im ausgehenden 18. Jahrhundert, als in Frankreich die Revolution ihre Opfer forderte, regte sich auch in unseren Landen mehr und mehr die Unzufriedenheit mit dem autoritär-aristokratischen Regierungsstil. Wenn auch die Gnädigen Herren in Zürich nicht willkürlich herrschten, so traten sie doch Ansprüchen der Landbevölkerung, wie sie etwa im Stäfnerhandel von 1795 erhoben wurden, mit Härte und Verständnislosigkeit entgegen. Erst als im Winter 1797/98 überall der Freiheitswille durchbrach und der Einmarsch der französischen Revolutionstruppen drohte, wallten Zürich der Landschaft eine neue Verfassung und die Mitbeteiligung an der Regierung gewähren. Allein, am 5. März 1798 fiel das alte Bern und mit ihm die ganze bisherige Ordnung in der Eidgenossenschaft.
Die neue helvetische Einheitsverfassung, die unter dem Schutz der französischen Bajonette eingeführt wurde, teilte die Schweiz in 19 Kantone ein, die aber blosse Verwaltungsbezirke mit einem Statthalter an ihrer Spitze bildeten. Nach langwierigen Diskussionen wurde der Kanton Zürich in 15 Distrikte gegliedert, denen je ein Unterstatthalter vorstand. Jeder Distrikt setzte sich seinerseits aus einer Anzahl Munizipalitäten zusammen, die man als Vorläufer der späteren politischen Gemeinden betrachten kann. Diese wurden überall, wo nicht Gegebenheiten aus früherer Zeit es schwierig machten, in Anlehnung an das Gebiet der Kirchgemeinden gebildet. Opfikon gehörte deshalb zur Munizipalität Kloten. Da nun aber die Glatt zur Grenze zwischen den beiden Distrikten Bassersdorf und Regensdorf gewählt worden war, wich man bei Oberhausen von der kirchlichen Zugehörigkeit ab und teilte die kleine Dorfgemeinde der Munizipalität Seebach zu.
Innere Verfassungskämpfe
Die Helvetik war durch ständige innere Verfassungskämpfe gekennzeichnet, die insbesondere zwischen Zentralisten und Föderalisten ausgetragen wurden und eine nahezu chaotische Lage schufen. Schliesslich auferlegte Napoleon Bonaparte der Schweiz eine Verfassung, die zwischen den Anhängern der alten Ordnung und den Befürwortern des Neuen vermitteln sollte. Sie hiess darum Mediationsakte. Unter dieser Verfassung war der Kanton Zürich, der nun wieder eine eigene Regierung besass, in nur fünf Bezirke eingeteilt, deren einen die Stadt Zürich bildete. Opfikon und Oberhausen gehörten nun, von 1803 an, zum Bezirk Bülach, der ungefähr den ganzen heutigen Bezirk dieses Namens, dazu den Bezirk Dielsdorf und Teile der Bezirke Zürich und Pfäffikon umfasste. So unvollkommen die Zustände damals auch waren, so bedeutete die Mediation doch die Geburtsstunde der Gemeinde Opfikon, denn nun wurden Opfikon, Oberhausen und Glattbrugg politisch von Kloten losgetrennt. Am 19. Juni 1803 fand die erste Gemeindewahl statt. Man wählte drei Gemeinderäte und einen Friedensrichter, nämlich:
Johannes Wintsch, Präsident,
Hans Rudolf Morf, Gemeinderat,
Heinrich Güttinger, Gemeinderat,
Hans Jakob Wismann, Friedensrichter (diesen in geheimer Wahl mit 43 Stimmen).
Nach dem Sturze Napoleons
Nach dem Sturze Napoleons im Jahre 1814 fiel in der Schweiz, die während der ganzen Zeit einen Untertanenstaat Frankreichs gebildet hatte, die Mediationsverfassung dahin. Erneut erhoben in Zürich jene Kräfte das Haupt, welche die Zustände vor der Revolution wieder herstellen wollten. Ohne das Volk zu befragen, führten sie eine Verfassung ein, welche die Landschaft gegenüber der Stadt wieder sehr benachteiligte. Der Kanton Zürich war in dieser Zeit der Restauration in elf Oberämter eingeteilt, deren Gebiet mit etlichen Abweichungen dem der heutigen Bezirke entsprach. Als Sitz für die Oberamtmänner, die zugleich den Vorsitz im Amtsgericht führten, wählte man mit Vorliebe ehemalige Landvogteischlösser und Amtshäuser. So setzte man einen Oberamtmann in das Amtshaus in Embrach, wo früher die Besitzungen des in der Reformation aufgehobenen Chorherrenstiftes St. Peter durch einen zürcherischen Amtmann verwaltet worden waren. Das Oberamt Embrach umfasste den heutigen Bezirk Bülach und die beiden heute zum Bezirk Winterthur gehörigen Gemeinden Dättlikon und Brütten.
Auch die Gemeindeverfassungen wurden mit jedem neuen Grundgesetz wieder geändert. In der Helvetik hatte neben dem Munizipalitätspräsidenten ein Agent als Vertreter des Unterstatthalters die Gemeindeverwaltung kontrolliert und für die Durchführung der Regierungsbeschlüsse gesorgt. Die nämliche Aufgabe fiel in der Mediationszeit dem Gemeindeammann zu. In der Restauration wurden nun das Amt des Präsidenten und das des Gemeindeammanns zusammengelegt und für das Oberhaupt der Gemeinde der letztere Titel verwendet. In Opfikon, das also zum Oberamt Embrach gehörte, fanden am 21. Juli 1816 – nachdem die durch die neue Verfassung vorgesehenen Behörden und Verwaltungsbezirke endlich in Kraft getreten waren – Gemeindewahlen statt. Die Versammlung wurde durch Gemeindeammann Hans Rudolf Schweizer eröffnet, der gemäss der Restaurationsverfassung bezeichnenderweise nicht etwa von den Stimmbürgern gewählt, sondern vom Kleinen Rat in Zürich ernannt worden war. Opfikon hatte damals vier Gemeinderäte, je zwei von Opfikon und von Oberhausen, zu wählen. Das Ergebnis war folgendes:
Seckelmeister Ulrich Schweizer, Opfikon, 61 gegen 18 Stimmen
Hans Konrad Näf, Opfikon, 64 gegen 15 Stimmen
Gemeinderat Heinrich Bachmann, Oberhausen, 41 gegen 38 Stimmen
Heinrich Beutler, Oberhausen, 60 gegen 19 Stimmen
Die Restaurationsepoche
Die im ganzen wenig schöpferische Restaurationsepoche brachte die Einführung der Zivilgemeinden überall dort, wo noch keine solchen bestanden; das bedeutete, dass Einzelhöfe sich schon bestehenden alten Dorfgemeinden anschliessen mussten oder dass deren mehrere eine neue Zivilgemeinde bilden sollten. Da in Opfikon – wie wir sahen – schon vor der Revolution die beiden Dorfgemeinden Opfikon und Oberhausen bestanden hatten, waren keine Neugründungen nötig. Die Häuser in Glattbrugg gehörten, seitdem Oberhausen sein Dorfrecht erhalten hatte (1782), zu dieser Dorf- und nunmehrigen Zivilgemeinde.
Die Benachteiligung der Landschaft und die autoritäre Regierungsweise führten im Kanton Zürich zu einer neuen Freiheitsbewegung, die am Ustertag vom 22. November 1830 zum Durchbruch kam.
Das Volk verlangte nach einer neuen, gerechteren Verfassung, deren Ausarbeitung sofort an die Hand genommen und erstaunlich schnell vollendet wurde. Die Abstimmung über das Verfassungswerk fand im ganzen Zürchergebiet am 20. März 1831 im Rahmen von Kirchgemeindeversammlungen statt. Drei Wochen später, am 10. April, wurden alle Stimmbürger feierlich vereidigt. Für die Abstimmung über das neue Grundgesetz hatten sich die Bürger von Opfikon somit in die Kirche von Kloten zu begeben. Dabei stellte man folgende Beteiligung fest:
Ganze Kirchgemeinde Kloten:
469 Anwesende, 72 Abwesende, 541 Total
Opfikon:
94 Anwesende, 8 Abwesende, 102 Total
Oberhausen:
27 Anwesende, 9 Abwesende, 36 Total
Da die Abstimmung gesamthaft durch die ganze Kirchgemeinde erfolgte, sind weder für die vier Zivilgemeinden (Kloten, Geerlisberg-Egetswil, Opfikon, Oberhausen) noch für die beiden politischen Gemeinden die Einzelergebnisse bekannt. Die Annahme war sicher bei allen überwältigend, denn von den 469 anwesenden Votanten stimmten 462 für und nur sieben gegen die neue Kantonsverfassung.
Nachdem das Volk das neue Grundgesetz angenommen hatte, bewarb sich das Städtchen Bülach energisch um den Sitz der neuen Bezirksbehörden, worauf sich alsbald die im Süden und Osten des bisherigen Oberamtes Embrach gelegenen Gemeinden zur Wehr setzten. In einer Eingabe vom 28. Mai 1831 richteten sie eine «ehrerbietige Vorstellung und Bitte» an die hohe Kantonsregierung, sie möge den Hauptort für die Sitzungen des Bezirksgerichtes in Embrach belassen. Auch Behördemitglieder aus Opfikon unterzeichneten die Eingabe, die aber nichts fruchtete, denn der Bezirkshauptort wurde nach Bülach verlegt.
Eine neue Zeit bricht an
An Stelle der Oberämter gab es nun im Kanton Zürich elf Bezirke, an deren Spitze ein Statthalter stand. Vor allem kam nun aber der Begriff der politischen Gemeinde auf, die – wie die Munizipalitäten – meist eine Mehrzahl von Siedlungen umfasste und den örtlichen Zivilgemeinden übergeordnet war. Das Amt des Gemeindepräsidenten wurde von dem des Gemeindeammanns, der zugleich Betreibungsbeamter wurde, getrennt. Selbstverständlich wurde nun der ganze Gemeinderat mit dem Präsidenten vom Volke gewählt.
Die vielen Neuerungen haben der Epoche nach 1835 den Namen «Regenerationszeit» eingetragen. Auf allen Gebieten, vorab auch auf dem der Schule und des Verkehrswesens, setzten Reformen und Verbesserungen ein. Ebenso kam nun endlich der gesetzmässige Loskauf der Grundzinse und Zehnten in Gang. Manches wurde neu geordnet. Im Jahre 1833 beschloss die Gemeinde «Opfikon und Oberhausen», so nannte sie sich in Anlehnung an die beiden Zivilgemeinden, das ihr von der Regierung verliehene Metzgrecht an Johannes Strehler in Glattbrugg und Ludwig Fürst auf Hohstieglen für fünf Jahre um den jährlichen Zins von 42 Gulden 20 Schilling zu verpachten. Man liess aber schon zehn Jahre später dieses Gemeindemetzgrecht wieder erlöschen.
Die beiden Zivilgemeinden lebten, wie viele ihresgleichen, auch im 19. Jahrhundert weiter. Diejenige von Opfikon verfügte 1850 über das sehr ansehnliche Gut von 10 884 Gulden 16 Schilling, was in der wenig später eingeführten Frankenwährung rund 25400 Franken ausmachte. Die – wie man sah – viel später entstandene und kleinere Gemeinde Oberhausen konnte im Jahre 1803 nur auf das bescheidene Vermögen von 190 Gulden 24 Schilling blicken. Wie sehr die alten Verhältnisse weiter wirkten, zeigt sich auch daran, dass Opfikon zum Notariatskreis Kloten gehörte (um 1860), die Zivilgemeinde Oberhausen aber zum Notariat Schwamendingen, so dass die Liegenschaften dieses Dorfes in den Grundprotokollen zusammen mit jenen von Schwamendingen-Oerlikon-Dübendorf verbucht sind. Die Notariate bildeten die Fortsetzung der ehemaligen Landschreibereien, wie sie vor 1798 den Land- und Obervogteien beigegeben waren.
Mit der Revolution fiel auch das Verbot dahin, Häuser ausserhalb des Dorfetters zu bauen, so dass entlang der Schaffhauserstrasse in Glattbrugg bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts bereits eine Anzahl neuer Häuser entstanden. Desgleichen wurden in jener Epoche die Höfe Hohstieglen und Riethof angelegt, von denen der erstere hart an der Gemeindegrenze gegen Seebach lag.
Abschaffung der Zivilgemeinden
Die verschiedenen Gemeindegesetze, aber auch die allgemeine Entwicklung, begünstigten das Weiterbestehen von Zivilgemeinden in keiner Weise, konnte doch der Regierungsrat nicht mehr lebensfähige Zivilgemeinden von sich aus aufheben. So unterbreitete an einer Versammlung der Zivilgemeinde Oberhausen im «Löwen» Glattbrugg deren Präsident, Konrad Girsberger, am 26. Mai 1918 die Gründe für eine Auflösung. Es fand eine eingehende Diskussion statt, worauf beschlossen wurde, die Zivilgemeinde aufzuheben und sich mit Opfikon zu verschmelzen. Aktiven und Passiven gingen mit dem 31. Dezember 1918 an die politische Gemeinde Opfikon über.
Zwei Tage vor diesem Datum fand auch in Opfikon eine Versammlung über den gleichen Gegenstand statt. Obschon ein Gegenantrag gestellt wurde, stimmten 200 Bürger für die Aufhebung, nur zwölf für eine Rückweisung der Vorlage. Damit verschwand auch diese Zivilgemeinde – und mit ihr eine wohl 500 Jahre alte Dorfgemeinde – aus dem öffentlichen Leben. Schon am 9. März 1919 genehmigte die politische Gemeindeversammlung von Opfikon eine neue Gemeindeordnung.
Seit dieser Zeit gibt es nur noch einen offiziellen, auf den amtlichen Schriftstücken verwendeten Namen der Gemeinde: Die Gemeinde Opfikon. Im Gegensatz dazu versteht man allerdings im täglichen Sprachgebrauch unter «Opfikon meist nur das alte Dörfchen rings um den Turm. Anderseits ist der Begriff «Glattbrugg», obwohl seit jeher nur die Bezeichnung eines mit keinerlei Selbständigkeit ausgerüsteten Dorfteils, wegen seiner bedeutenden baulichen Entwicklung immer stärker in den Vordergrund getreten, und deshalb bürgert sich als Benennung unserer ganzen Gemeinde inoffiziell, besonders im Geschäftsleben, immer mehr der Ausdruck «Opfikon-Glattbrugg» ein. Aus diesem Grunde wird der Leser in den folgenden Kapiteln bald diese, bald jene Bezeichnung antreffen ; dabei wird er sich aber sicherlich leicht zurechtfinden, wenn er der vorliegenden Schrift bis hieher gefolgt ist und so den Werdegang unserer Gemeinde kennengelernt hat.
Quelle: Opfikon Glattbrugg Oberhausen - Einst und jetzt 1969