Die hohe Zeit des Adels
Das Hochmittelalter
Die Zeit des Hochmittelalters, welche man von rund 900 bis 1200 rechnet, erschwert unsere Geschichtskenntnis durch einen empfindlichen Mangel an Urkunden. Und doch war diese Epoche von grosser Bedeutung für das Deutsche Reich. Im Verlaufe vielfältiger Kämpfe, die sich König, Hochadel und Kirchenfürsten lieferten, erfuhren die verfassungsrechtlichen Zustände, wie sie von den Franken geschaffen worden waren, eine starke Umgestaltung. Im 12. Jahrhundert trat auch der niedere Adel (Dienstadel, Ministeriale) mehr und mehr in Erscheinung. Der nach der Mitte des 9 Jahrhunderts vom alten Grossthurgau abgetrennte Zürichgau wurde im Verlaufe des Hochmittelalters durch neue staatliche Gebilde «angefressen» und löste sich später auf.
Errichtung eines Klosters in Muri
Bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts weiss man über Opfikon aus urkundlichen Nachrichten rein nichts. Man kann nur durch Rückschlüsse feststellen, dass der heutige Gemeindeboden im Besitze von verschiedenen adeligen Grundherren gestanden hat, wie sie im Zürcher Unterland damals sehr zahlreich waren. Immerhin verrät eine Notiz über die Gründung des Klosters Muri (AG), dass bei Glattbrugg einst eine jener Gaugerichtsstätten lag, die regelmässig an wichtigen Verkehrswegen, oft an ehemaligen Römerstrassen, zu finden sind. An einem nicht genau bekannten Tage – es muß vor dem 10. April 1034 gewesen sein – übergab auf Drängen des Grafen Radbot, eines frühen Habsburgers, und seiner Gemahlin Ida deren Stiefbruder, Graf Kuno von Rheinfelden, in Thalwil dem Kloster Einsiedeln die von der Gräfin Ida zur Errichtung eines Klosters in Muri gestifteten Güter, worauf Radbot dem Abte Embrich von Einsiedeln an einem Landtag (gräflichen Gerichtstag) die Gründung des Klosters zu Muri übertrug.
Glattbrugg
Ausdrücklich heißt es im lateinischen Texte: «cum maximum placitum fieret iuxta pontem fluvii, qui dicitur Glat» (als eine sehr große Gerichtsversammlung bei der Brücke des Flusses stattfand, welcher Glatt genannt wird). Das kann sich nur auf Glattbrugg beziehen, denn wenn man den bei normalem Wasserstand nicht besonders tiefen und breiten Fluß schon damals mit einer Brücke überwand, muß es sich um eine ganz wichtige Verkehrsstraße gehandelt haben –eben jene von Zürich an den Rhein, welche schon die Römer gebaut hatten. Das Alter der Brücke aber – die am Glattfluß nicht so bald ihresgleichen erhielt – bewirkte, daß gerade hier der Ortsname «Glattbrugg» entstehen konnte.
Twing und Bann - Gebote und Verbote
Neben den Herren des hohen Adels, die wir soeben mit der Gründung eines bedeutenden Klosters beschäftigt sahen, gab es fast in jedem wichtigem Dorfe einen Ortsadel, der die grundherrliche Gerichtsbarkeit ausübte und mit seinen Geboten und Verboten – «Twing und Bann» – für den geordneten Ablauf der landwirtschaftlichen Arbeiten sorgte. Diese kleineren freien Herren wurden als «Edle» oder Freiherren dem hohen Adel zugerechnet, begaben sich aber sehr oft in die Dienste eines größern Herrn, sei es eines Grafen, eines Bischofs oder eines Reichsabtes, der sie mit Gütern belehnte. Aus diesen Leuten ging dann der niedere Adel, der Ministerialenstand, hervor.
Der Ortsadel
Anfänglich saß der Ortsadel auf einem Herrenhof im Dorfe (Fron-, Meier- oder Kelnhof); später aber bauten sich viele dieser Ritter und Edelknechte eine Burg, und wieder andere ließen sich in aufstrebenden Städten nieder. Johann Jakob Leu schreibt in seinem Lexikon im 18. Jahrhundert über Opfikon: «alda ehemals auch eine Burg gestanden, ein Stammhaus der Edlen gleichen Namens, aus welchen Conrad anno 1157 des Rats von Geschlechtern in der Stadt Zürich.» Das ist durchaus glaubhaft, nur bleibt offen, ob der Mann noch edelfreien Standes oder bereits Ministerialer war.
Bur (Burkhard) de Opphinkon
Als erster urkundlich sicher bezeugter Vertreter des Ortsadels von Opfikon trat 1239 im Kloster Oetenbach in Zürich ein Bur (Burkhard) de Opphinkon auf. Das Geschlecht hatte also schon damals, vielleicht noch zu Ende des 12. Jahrhunderts, seine alte Heimat verlassen, um sich in die festen Mauern der Stadt Zürich zu begeben. Dort erhielt Burkhard eine zahlreiche Nachkommenschaft, doch spielte die Familie für die Geschichte von Opfikon keine Rolle mehr. Ihre Güter in Opfikon, die sie wohl einmal besessen haben, müssen sie früh durch Verkauf oder durch Mitgabe an Töchter veräußert haben. Auf diese Weise aber konnten andere Adelsfamilien in Opfikon zu Grundbesitz gelangen.
Rudolf von Fluntern
In ihren Kreis gehörten nun eindeutig ein gewisser Rudolf von Fluntern bei Zürich und seine Gattin Lieba, die um 1153 dem noch jungen Kloster St. Martin auf dem Zürichberg ihr Grundeigentum u. a. an folgenden Orten schenkten: Witellikon (Gemeinde Zollikon), Naglikon (bei Wädenswil), Rüschlikon, Rieden, Wallisellen, Opfikon, Oberhausen, Oberglatt, Niederglatt, Ober- und Niederhöri, Nöschikon, Oerlikon, Herrliberg, Heslibach (Gemeinde Küsnacht), Waltikon (Gemeinde Zumikon) und Witikon (heute Stadt Zürich). Diese große Schenkung wurde damals vom Bischof von Konstanz dem Martinskloster bestätigt. Dabei zeigt die weite Streuung der Güter, daß die adeligen Schenkgeber nicht zu den geringsten ihres Standes gehört haben, wobei man damit rechnen muss, daß ihnen manches entlegenere Gut durch frühere Eheschließungen und Erbschaften von ihresgleichen zugefallen war.
Kloster Zürichberg und Kaiser Barbarossa
Das Kloster auf dem Zürichberg war 1124 als Niederlassung regulierter Augustiner-Chorherren entstanden. Im Jahre 1142 erscheint es dann als ein dem heiligen Martin geweihtes Klösterchen, das 1154 von Papst Anastasius IV. in seinen Schutz genommen wurde. Als am 9. Februar 1158 Kaiser Friedrich 1. (Barbarossa) das Kloster seinerseits in Schirm nahm und dessen Besitzungen bestätigte, waren auch Opfikon (Offinchon) und Oberhausen (Obrenhusen) darunter. Diese beiden Güter machten jedoch nicht das gleiche Schicksal durch. Während das Grundeigentum in Opfikon –es handelte sich um einen großen Hof – bis zur Aufhebung der geistlichen Stifte in der Reformationszeit im Besitze des Martinsklosters auf dem Zürichberge verblieb und, wie sich noch zeigen wird, auch für die Entwicklung der Vogtei eine Bedeutung erlangte, tauschten schon am 24. Februar 1167 Propst Gebezo und die Brüder auf dem Zürichberg ihr Gut zu Oberhausen gegen eine Hube in Adlisberg (nahe dem Kloster gelegen) an das Großmünsterstift in Zürich ab. Damit wurde die Propstei St. Felix und Regula alleiniger Grundherr in Oberhausen.
Kloster Engelberg
Im 12. Jahrhundert war aber sowohl in Opfikon wie in Oberhausen noch ein weiteres Kloster begütert, nämlich Engelberg. Nach dessen ältestem Einkünfteurbar bezog es 1184/90 aus Opfikon und Oberhausen zusammen einen Grundzins von 23 Mütt Kernen, 6 Mütt Haber, 3 1/2 Mütt «Schmalsaat» (Erbsen, Bohnen, Linsen) und 3 1/2 Schilling Geld. Das Kloster Engelberg war im Jahre 1120 vom Freiherrn Konrad von Sellenbüren gestiftet worden; so muß man annehmen, die Güter in Opfikon und Oberhausen seien durch diesen an das geistliche Stift gelangt. Da der Grundbesitz für das Kloster allzu abgelegen war, tauschte Abt Walter von Engelberg am 17. April 1255 seine Güter in Winkel (bei Bülach), Oberhausen und Opfikon gegen solche in Füglistal, Stetten (AG), Rossau und Mettmenstetten an Ritter Hugo von Lunkhofen und seinen Sohn Ulrich, beide Bürger von Zürich, ab. Von dieser angesehenen Familie muß in der Folge der Grundbesitz zu Opfikon an andere Zürcher Bürger übergegangen sein, während jener in Oberhausen zu unbekannter Zeit ebenfalls an das Großmünsterstift gelangte, das –wie wir sahen – dort ja schon begütert war.
Freiherren von Klingen
Darf man also annehmen, daß der Engelberger Besitz in Opfikon und Oberhausen auf eine freiherrliche Familie zurückgeht, so stellt man, wenn auch verhältnismäßig spät, noch ein weiteres hochadeliges Geschlecht als Grundeigentümer und Lehensherr im Opfiker Banne fest. Es waren die thurgauischen Freiherren von Klingen, die einst in Verbindung mit den Herzögen von Zähringen und den Bischöfen von Konstanz eine bedeutende Rolle spielten. Die Linie von Altenklingen besaß bis in den Kanton Zürich hinein eine Anzahl von Reichslehen, die sie ihrerseits auf dem Lehenswege an niedere Adelige und Stadtbürger weitergab.
Walter von Hohenklingen
Als im Jahre 1394 die Edlen von Altenklingen mit Walter VII. erloschen, trat Walther IX. aus der Linie der Freiherren von Hohenklingen auf den Plan. So begegnen wir von 1369 bis 1390 dem ersteren Walter als Lehensherr eines Fronhofes in Opfikon, 1397 aber bereits Walter von Hohenklingen. Man mag sich fragen, wieso dieses Geschlecht so nahe bei Zürich zu Streubesitz gelangt ist. Da jedoch zwei Vorfahren Walters von Altenklingen je mit einer Frau aus dem Hause der Freiherren von Regensberg verheiratet gewesen waren, die bekanntlich im Glatttal und weit darüber hinaus begütert waren, muß –wie so oft – Mitgift und Erbe eine Rolle gespielt haben. Es wäre zwar auch zu erwägen, ob die Freiherren von Klingen den Fronhof vom Hause Habsburg erlangt haben. Im Jahre 1361 verlieh nämlich dieses dem Johannes von Wildberg nebst einem Gut zu Kloten und einem andern zu Gündlikon «ein gut ze Opfikon genannt Frenhoff». Die Lehenshoheit müßte also zwischen 1361 und 1369 gewechselt haben.
Mühle Glattbrugg
Ganz anders wieder lagen die Dinge bei der Mühle Glattbrugg, die schon ihr Rad drehen liess, als es 150 Meter flußaufwärts noch kein Gasthaus gab. Diese Mühle gehörte zur Grundherrschaft Rümlang. Sie hatte nach dem Urteil des Fraumünster-Amtmanns Johannes Leu vom 23. Februar 1302 Nutzungsrecht am Rümlanger Gemeindeholz wie jede andere Schupposse (Bauerngut von 12 bis 15 Jucharten). Sie unterstand dadurch auch dem Niedergericht der Fraumünsterabtei in Rümlang. Am 3. Juni 1324 beurkundete die Äbtissin Elisabeth, daß Frau Anna, Gattin des Ritters Rudolf Truchsess von Rapperswil, Bürgers von Zürich, die Mühle an der Glattbrugg ihrer Tochter Margaretha, Ehefrau des Ritters Walter (IV.) von Hünenberg als Heimsteuer übergeben habe.
Mulner von Glatbrucge
Da in Rümlang aber auch Güter des Klosters Einsiedeln lagen, über welche dessen Stiftsvögte (bis 1309 die Grafen von Rapperswil, dann jene von Habsburg-Laufenburg) hohes und niederes Gericht ausübten, mußte «der Mulner von Glatbrucge» jährlich 2 Viertel Kernen an die Abtei Einsiedeln entrichten. Das mag alles reichlich verwickelt scheinen; wenn man sich aber vor Augen hält, daß im Mittelalter sowohl der adelige oder geistliche Lehensherr, dem die Güter, Rechte und Einkünfte als freies Eigentum zustanden, als auch der Lehensträger, der in den unmittelbaren Genuß der bäuerlichen Abgaben kam, mit alldem wie mit privaten Vermögenswerten umgehen konnte, so versteht man die vielen Käufe, Verkäufe und Tauschhandlungen, die Zuweisung von Mitgiften an Töchter und die vielfältigen Erbteilungen besser.
Quelle: Opfikon Glattbrugg Oberhausen - Einst und jetzt 1969